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Soziale Medien. Das perfekte Idealbild raubt Energie.

VON AWAI CHEUNG

Erfolgreicher, schöner, gesünder und am besten ohne Makel: Vorbilder in den sozialen Medien möchten uns das perfekte Idealbild vorleben, das perfekte familiäre Umfeld, das perfekte Schönheitsideal. Ständig dem Ideal nachzustreben, kann viel Energie rauben und sogar krank machen. Das Leben ist nicht perfekt. Was heißt denn „perfekt“? Perfekt heißt für viele: Frei von Fehlern, gib nicht hundert, sondern sogar ein hundertzwanzig Prozent.

Nicht austauschbar

Sei nicht perfekt, das hat der chinesische Philosoph Laotse (6. Jahrhundert v. Chr.) mit folgender Kurzgeschichte auf den Punkt gebracht. Als Laotse mit seinen Jüngern unterwegs war, kam er eines Tages an einem Dorf vorbei, das von einem Wald umgeben war. Dort waren einige Holzfäller dabei, unzählige Bäume zu fällen. Einzig einen mächtigen Baum ließen sie unberührt. Dieser war so groß, dass Zehntausende Menschen in seinem Schatten Platz finden konnten.

Unbrauchbar

Der Meister bat seine Jünger nachzufragen, was der Grund dafür sei, dass der Baum verschont bliebe. Die Holzfäller sagten: Dieser Baum ist vollkommen unbrauchbar. Man kann aus ihm keine Bretter anfertigen, weil das Holz zu löchrig ist, die Äste haben alle zu viele Knoten und als Feuerholz kann man den Baum auch nicht verwenden, da der Rauch schädlich für die Augen wäre. Als Laotse das hörte, lachte er und erläuterte seinen Schülern: „Seid wie dieser Baum. Wenn ihr glatt und gerade seid, wird euch jemand für die Möbel in seinem Haus benutzen. Wenn ihr wunderschön seid, werdet ihr auf dem Markt verkauft und wie Waren gehandelt. Wenn ihr jedoch nicht so seid wie alle anderen, nicht perfekt, sondern eigen wie dieser Baum, dann könnt ihr wachsen und riesengroß werden, sodass viele Menschen im Sommer unter euch Schatten finden.“

Awai Cheung ist ein in Berlin geborener Hongkong stämmiger Chinese. Er ist Qigong-Lehrer, Autor und Vortragender. Er lebt in Berlin und Grieskirchen.

Anmut und Liebreiz

VON CHRISTA KOINIG

Ich kenne kaum jemanden, der nicht Yoga macht, ob bei einem Kurs im Yoga-Studio, in der Natur oder online. „Online“ bedeutet angeschlossen oder in der Leitung sein. Das mache ich gerne, ich melde mich bei einem Internet-Treffen, also einem Yoga Online-Meeting, an. Wir können einander sehen und miteinander reden, obwohl wir weit voneinander entfernt sind. Das ist wirklich sehr praktisch, denn da muss ich mich gar nicht duschen. So wie beim Homeschooling. Außerdem merkt es keiner, wenn ich noch im Pyjama bin, weil ich mein Video ausschalten kann, sodass mich die anderen nicht beobachten können.

Atmung, Gleichgewicht, innere Zufriedenheit

Jede unserer Yoga-Stunden hat ein besonderes Thema. Es geht ums Atmen, ums Gleichgewicht oder um die innere Zufriedenheit. Letztes Mal war unser Thema „Anmut“. Anmut bedeutet Liebreiz, Grazie, Harmonie der Bewegung. Beim Online-Yoga passt es anfangs mit meinem Liebreiz noch, denn da sitz’ ich einigermaßen anmutig da. Vierfüßler, Katze-Kuh geht auch noch. Wenn ich dann aber vom herabschauenden Hund mit kleinen Schritten nach vorn in die Vorbeuge gehen soll, schaut es nicht mehr so lässig aus. Irgendwie krabble ich umständlich herum, muss dabei oft stöhnen oder mach überhaupt eine Bauchlandung. Von Anmut oder Harmonie weit und breit keine Spur. Bei unserer Omama wirkt alles viel lockerer, ob wohl sie um so vieles älter ist als ich. Wie macht sie das?

„Du musst Yoga mit der richtigen Einstellung üben und nur das tun, was deinem Herzen guttut“, meint sie. Aha! Aber wo kommt plötzlich dieser Applaus her? Oh! Ich hatte vergessen, mein Video abzuschalten, also konnten mir alle zuschauen. Ups! Christa Koinig ist künstlerische Leiterin des Linzer Puppentheaters.